14. Oktober 2019
Wie beendet man ein Festival wie die Herbstausgabe von :alpenarte 2019, das so facettenreich und einfühlsam in seinen ersten drei Konzerten unterschiedlichste Facetten von Musikgenres, Ausdruckswelten und famosem Musikantentum gezeigt hatte und das ein Publikum für sich einnahm, das etwas unvorbereitet und dann umso begeisterter auf diese Musikvielfalt traf? Doch musste man sich darum eigentlich auch keine wirklichen Sorgen machen, denn die diesmalige Intendantin in Residence, Marie Spaemann, fiel immer noch so Einiges ein, um das Publikum wieder auf eine Reise durch die Musikwelt zu nehmen, die sie nun im Abschlusskonzert „The Art of Wonder“ (Die Kunst des Wunders) nannte.
Auf der einen Seite blieb die Idee eines Wechselspiels der Gefühle, der Ausdrucksweisen, wie es sich schon in den vorangegangenen drei Konzerten gezeigt hatte. Aber wieder waren da die Überraschungsmomente für die Zuhörer vorhanden, das Changieren zwischen Tradition und Moderne, die die Spannung über die Dramatik des gesamten Konzertprogramms hielten. Eine neue Facette moderner Bühnendarstellung brachte die kroatische Flötistin Nika Bauman ein, als sie zu Beginn zu einem künstlerischen gestalteten und auf der Bühne projizierten Video live – in derselben Choreografie wie im Video – das Solostück „Landschaft mit Vögeln“ des lettischen Komponisten Peteris Vasks mit dem Rücken zum Publikum spielte. Diese Aufführung zeigte, dass es noch viel Luft nach oben gibt, wenn man jungen Künstlern, die nicht nur in althergebrachten Schubladen denken, erlaubt, ihre Ideen ausleben lässt. So erreicht selbst solch ein ungewöhnliches Solowerk für Flöte die Emotionen der Zuhörer!
Das Publikum war nun vorbereitet für das Mehr, was da noch kommen sollte. Bryan Benner, der mit seiner Stimme und seinen englischsprachigen Arrangements großen Liedguts von Schubert schon in den Konzerten zuvor das Publikum in seinen Bann geschlagen hatte, hatte eine Auswahl aus Schumanns Liederzyklus nach den Heine-Gedichten „Buch der Lieder“ vorbereitet. Gemeinsam mit der Flötistin Nika Bauman fand er wieder zu einer ganz eigenen Ausdruckwelt wie „Im schönen Monat Mai“ oder „Wenn ich in deine Augen seh‘“. Und am Schluss erkannte man wieder das ganz Persönliche seiner Interpretationen, als beide Künstler in „Ich will meine Seele tauchen“ tänzerisch-schwingend spielten. Welch eine faszinierende Facette einer vermeintlich bekannten Ausdruckswelt, die aber in Benners Interpretation neue Aspekte offenbarte. Das ist es, was das Festival :alpenarte auch ausmacht: Altbekanntes in neuem, in vielleicht jugendlicherem Gewand darzubieten, damit man erkennen mag, dass diese großartigen Werke immer lebendig bleiben. „Die Kunst des Wunders“ wurde greifbar gemacht, denn das Wunderbare ist im Wunder der Musik nicht nur im Ausdruck derselben, sondern auch im Spiel dieser zu entdecken.
Richard Dünsers „Nocturne I“ mit der Pianistin Anna Magdalena Kokits leitete einfühlsam den zweiten Teil des Konzerts ein, nachdem Akkordeonist Christian Bakanics mit den Streicherinnen des Festivals einige Tangos in einer rhythmisch brachialen Darstellung zum Abschluss des ersten Teils geboten hatte. Mit dem beeindruckenden Solowerk „Motivy“ für Kontrabass des bulgarischen Komponisten Emil Tabakow zeigte Jura Herceg welche Möglichkeiten in seinem so massiv wirkenden Streich- und Zupfinstrument stecken. Ansonsten erlebt man den Kontrabass meist nur als klangliche Unterstützung anderer Instrumente, hier nun zeigte Herceg, dass der Bass mehr als ein Unterstützer ist.
Dann wieder der Gang in die große Welt der Klassik – mit Maurice Ravels großem und singulärem Streichquartett. Aoife Ní Bhriain, Sara Domjanić (Violinen), Isidora Timotijević (Viola) und Marie Spaemann (Cello) fanden zu einer farbenreichen wie intensiven Aussagekraft dieses so berühmten Werks, dass das Publikum nicht den Eindruck erhielt, dieses Werk schon Tausendmal gehört zu haben, sondern soeben erst neu zu entdecken.
Ganz zum Schluss kamen dann nochmals alle Künstler des Festivals gemeinsam auf die Bühne, um den „Pentango“ von Akkordeonist Christian Bakanic zu spielen. Mit diesem Werk ging die dreijährige Phase von :alpenarte mit ihrer sechsten Edition zu Ende und zeigte, dass man ein Publikum mit neuen Ideen erreichen kann, das bisher nur traditionelle Konzertprogrammformen kannte. Das Publikum ist offen und bereit für neue Ideen. Und wenn sie so geschickt und qualitativ brillant umgesetzt werden wie dies in diesem Herbst bei :alpenarte Marie Spaemann gezeigt hatte, dann ist dies ein Schritt in die Zukunft, einer, der zeigt, dass allein die Rezeption von nur bekannten Werken kein alleiniges Format für die Zukunft für junge Musiker und ein neues Publikum bildet.