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Sensibilisierung für das Weibliche

12. Oktober 2019

Oftmals wurden sie verschmäht, vergessen oder nicht beachtet: Die Frauen unter den Komponisten hatten es in vergangenen Jahrhunderten nicht leicht. Auch wenn dies heute vielen Musikbegeisterten in einer Zeit der vollkommenen Emanzipation eigenwillig erscheinen mag, waren die weiblichen Musikschaffenden in früheren Tagen die vermeintlich schlechteren Kreativen und Gegnerinnen der Akzeptanz, dass wahre Kreativität nur von Männern ausgehen kann.

So hatte sich die Intendantin in Residence der Herbstausgabe von :alpenarte 2019, die Cellistin Marie Spaemann, ein Programm erdacht, das unter dem Motto „The Art of Female“ diesen Komponistinnen Gehör verschaffte.

Natürlich liegt in diesem Jahr der Fokus der Musikwelt stark auf Clara Schumann, deren 200. Geburtstags man im September gedenken konnte. Entsprechend begann der Abend am Freitag im Angelika-Kauffmann-Saal auch mit einem Werk der Frau von Robert Schumann, aber auch gleichzeitig mit einer Überraschung … Alle Musiker fanden sich – scheinbar unkoordiniert, in Straßenkleidung und auf ihre Smartphones starrend – auf der Bühne ein und stimmten Claras „Abendfeier in Venedig“ als Chor a capella an. Welch ein emotional schöner wie im ersten Moment für ein traditionelles Konzert verwirrender Beginn – wie der zögerlich einsetzende Applaus der Zuhörer zeigte. Doch :alpenarte ist kein ausschließlich traditionelles Format, sondern zeigt die Zukunft von Musikformaten in Bezug auf die Darstellungsform und das Repertoire auf. Und dabei wird das Publikum immer überrascht! Unerwartetes, Grenzüberschreitungen – damit wird in dieser Ausgabe von :alpenarte ganz besonders stark gespielt. Im Anschluss an diesen Beginn direkt die nächste Überschreitung einer Grenze: Die irische Geigerin Aoife Ní Bhriain zeigte, wie gut man eine Sarabande Bachs mit einem traditionellen irischen Volkslied wie „My Love is in America“ in bester Fiddle-Manier verbinden kann. Dieses Festival kennt keine Grenzen in der Musik, solange diese mit Seele, Leidenschaft und auf hohem Niveau vorgetragen wird. So auch in dem irischen Traditional „P stands for Patty“, den die irische Geigerin mit Christian Bakanic am Akkordeon und dem wunderbar passenden Gesang von Bryan Benner spielte. Eine Liebes-Hommage an eine Frau auf einmal andere Art …

„Burnt Jasmine“ für Streichquartett (hier in einer mit Kontrabass erweiterten Version mit Kontrabass) der österreichischen Geigerin und Komponistin Magdalena Zenz (* 1984) war dann ein weiterer Programmpunkt in der Idee weiblichen Komponisten ein Forum in diesem Konzert zu bieten. Geschrieben auf die Stadt Damaskus, in der der schöne Jasmin einmal alltäglich war. Doch ist dies weniger eine Hommage, sondern eher ein Abgesang auf einen ehemals wundervollen Ort. Eine durchaus weibliche Sicht auf etwas ehemals Schönes. Marie Spaemann wollte das Weibliche zeigen, wie es sich in Musik ausdrückt.

Weiter ging es mit Lili Boulanger, die starken Einfluss auf den weitaus berühmteren Claude Debussy hatte, dessen Rhapsodie für Klarinette und Klavier (Sebastian Manz, Klarinette, Anna Magdalena Kokits) sich ohne Zwischenapplaus nahtlos sofort an ihr Nocturne für Flöte und Klavier (Nika Bauman, Flöte) anfügte – auch um aufzuzeigen, wie nahe sich die beiden Schaffenden künstlerisch standen, die Unbekannte und der berühmte Komponist. Überraschend dann auch die romantisch-lieblichen Lieder von Clara Schumann (gesungen von Bryan Benner), die unterbrochen wurden durch die vehement-brutalen Akkorde aus Julia Wolfes (* 1958) Streichquartett. Welch ein emotionaler Kontrast zweier Komponistinnen aus unterschiedlichen Zeiten. Mit drei der Stücke in kanonischer Form von Robert Schumann für Klaviertrio-Adaption von Theodor Kirchner und dem Solo-Akkordeon-Stück „Luise’s Wlzer“ von Christian Bakanic, geschrieben für seine Tochter, wurden auch die Männer von der Programmchefin Spaemann in diesem Konzert zugelassen. Und am Ende durfte dann ein Song von Spaemann selbst nicht fehlen. Ihr Song „Metamorphosis“ macht sich tiefgreifende Gedanken über Europa und sie animierte das Publikum den Refrain mitzusingen. Auf dem Cello zupfend, es als Percussion-Instrument nutzen und von Christian Bakanic am Akkordeon begleitet war dies ein würdiger Abschluss für ein gelungenes und sensibel gestaltetes Konzertprogramm.

Dieses Konzert lebte einerseits von einer insgesamte intimen Musiksprache – vielleicht auch symptomatisch für das Weibliche in der Musik. Daneben aber war es das intelligente Konzept der Konzertdramaturgie, die die Zuhörer einnahm, sie lauschen und nachdenklich stimmen ließ.

Die „Ode an die Freude“ aus Beethovens 9. Sinfonie, verbunden mit der folgenden Nationalhymne Österreichs hat zwar mittlerweile in diesem Festival eine Art von Tradition, doch war sie nach diesem intimen Klangkonzept des Konzerts – bei aller Ausgelassenheit und Freude des Publikums darüber – ein etwas störender Kontrapunkt.

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