11. Mai 2019
Die Europawahl steht in den Startlöchern, immer noch wird in bestimmten Kreisen der Gesellschaft darüber gestritten, ob man ein Europaparlament braucht … Die Musiker, die im Mai zur Frühlingsausgabe von :alpenarte von der Intendantin in Residence, der aus Slowenien stammenden und in Frankreich lebenden Flötistin Eva-Nina Kozmus, eingeladen wurden, sprechen allein schon aufgrund ihrer Nationalitäten für ein offenes und zusammengehöriges Europa. Sie stammen aus Norwegen, Irland, Österreich, Frankreich, Deutschland und Rumänien, Ländern, die vielleicht stärker für ein geeintes Europa stehen als andere. Aber auch in anderen Ländern der EU wird die Musik als einende und übernationale Sprache verstanden. Und bei :alpenarte wollte Eva-Nina Kozmus am zweiten Abend des Festivals, den 10. Mai, im Angelika-Kauffmann-Saal aufzeigen, wie sie persönlich Europa empfindet: facettenreich über die Jahrhunderte hinweg schauend.
Vielschichtig wie Europa ist, stellte sich auch die Auswahl der Werke an diesem zweiten Abend von :alpenarte dar – auch einen Abend nach dem Europatag am 9. Mai. Entsprechend gab es Überschneidungen zwischen den Vertretern der Länder unter den Komponisten. Giacchino Rossini schrieb eine Oper auf den Schweizer „Wilhelm Tell“ und schuf unsterbliche Melodien, die Eva-Nina Kozmus gemeinsam mit dem Pianisten Yannick Rafalimanana und dem Oboisten Adrian Buzac so spritzig und perfekt in der Bearbeitung des Franzosen Jules Demersseman bot, dass man aufhorchte und gespannt sein konnte, auf die vielen kleinen Facetten, die noch kommen sollten. Die Harfenistin Lisa-Maria Hilti ließ – ebenfalls in französischer Bearbeitung – Manuel de Fallas „Spanischen Tanz Nr. 1“ aus dessen Oper „La vida breve“ (Das kurze Leben) erklingen. Der Italiener Nino Rota ist vor allem als Filmkomponist ein Begriff (bspw. „Der Pate“), hat aber auch hochernste Werke geschaffen, wie sich in seinem Trio für Flöte (Kozmus), Violine (Eoin Ducrot) und Klavier (Rafalimanana) zeigte, das Zu Recht auf dem Programm stand. Famos wirkten die beiden schnellen Außensätze des in traditionell-klassischer Form verfassten Trios, aber gerade der langsame dunkel-unheilvolle Mittelsatz zeigte die Fähigkeit Rotas mit seinen Klangumsetzungen Bilder in den Köpfen der Zuhörer aufkommen zu lassen. Und die Begeisterung der Musiker übertrug sich entsprechend auf das Publikum im Saal und ließ die Besucher atemlos lauschen.
Dann kam das an diesem Abend vielleicht beeindruckendste Werk des 34-jährigen irischen Komponisten Sam Perkin, der als Vertreter einer jungen Komponistengeneration in Schwarzenberg weilte, um mit den Musikern gemeinsam einige seiner Werke zu erarbeiten. Sein Werk „Pause“ für Streichquartett und elektronischer Zuspielung, die schwebende Klänge sowie traditionellen irischen Gesang hören ließ, hatte einen klaren Hintergrund, wie der Komponist dem Publikum erklärte: Geschrieben hat er es zum 100-jährigen Gedenken des irischen Unabhängigkeitsaufstandes von 1916, bei dem Iren wie Engländer getötet wurden. „Es ist ein Aufruf dafür, eine Pause von allen Gewalttätigkeiten zu machen“, sagte er. Beeindruckend wie sich die Klänge von Streichern auf der Bühne mit den Klängen der Elektronik mischten und der Gesang aus den Boxen den Zuhörern einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ, zu dem sie selbst summten. Dieses Werk kann man auch als Ausdruck des jungen Europas sehen, der Menschen, die keine Konflikte mehr akzeptieren an eine übernationale Vereinigung Europas glauben.
Nach der Pause wurde es dann nochmals vollkommen bunt in der Werkauswahl und ließ auch solistische Stücke hören. Der Pianis Yannick Rafalimanana spielte den letzten Satz aus Beethovens Sturm-Sonate Op. 31 Nr. 2 und Klarinettist Sebastian Manz brillierte in einem Werk des Ungarn Béla Kovács, das dieser wiederum dem Spanier de Falla zugedacht hat. Und selbst Franz Schubert wurde auf den Plan gerufen, in der Bearbeitung seines Impromptu Ges-Dur (nun in G-Dur erklingend) für Flöte, Streichtrio und Harfe durch den Komponisten Jean Françaix.
Sebastian Manz hatte für diesen Abend zwei Werke geschrieben, die zwar humoristisch unterhaltsam waren, aber dennoch große wie bekannte Melodien aus unterschiedlichen Bereichen miteinander vereinten. In „Russland, Russland“ reihte er mit seinen Mitmusikern große Themen russischer Komponisten aneinander – immer mit einem Augenzwinkern versehen. Und in „Mozart’s the best – f*** off the rest“ ließ er die Musiker auf der Bühne in kabarettartiger Weise agieren und spielen – aber immer mit einem hohen Anspruch an das Spiel selbst.
Dieser Abend war ein unvergleichliches Beispiel dafür, wie unterschiedlich Gefühlswelten von Zuhörern angeregt werden können, wie leicht und verständnisvoll sich schon immer die Sprache der Musik über europäische Grenzen hinwegsetzte. Die jungen Musiker zeigten: Europa ist längst eine Einheit, die man nur akzeptieren und anerkennen muss. Dann ist es auch kein weiter Schritt mehr, sich von jeglichem Konflikt zu entfernen. Zudem zeigte sich auch, dass selbst mit Humor auf der Bühne große Musik erklingen kann, wenn man es denn nur richtig macht.
Das Festival :alpenarte ist angekommen, angekommen in einem Bereich, der Qualität mit tiefemotionalen Aussagen verbindet, ohne die große Kunst zu negieren: Das kann man nur in diesem Festival auf diese Art erleben.