11. Mai 2019
Wenn :alpenarte vor einem Festival-Programm steht, dann ist klar: in Schwarzenberg im Bregenzerwald treffen sich junge hochklassige Musiker aus aller Welt, um dem Publikum vier Tage lang ganz besondere Programme zu präsentieren, die sich weitab von den eigefahrenen Repertoirepfaden bewegen. Hier bedeutet genau: im renommierten Angelika-Kaufmann-Saal in Schwarzenberg. Daneben stellt :alpenarte auch eine besondere Förderung dar: denn die jungen Musiker, die für eine Ausgabe als Intendanten berufen werden, sollen verstehen, was es bedeutet, die organisatorische Leitung eines solchen Festivals zu übernehmen.
So hatte die diesjährige Intendantin in Residence, die slowenische Flötistin Eva-Nina Kozmus, zur Eröffnung des diesjährigen :alpenarte-Festivals (Frühlings-Ausgabe) im traditionsreichen Schwarzenberger Angelika-Kaufmann-Saal unter dem Motto „Frühlingsgefühle“ ein Programm auf das Erwachen der wärmeren Jahreszeit konzipiert – auch wenn das Wetter außerhalb des Saals diese Gefühle noch nicht vollauf widerspiegelte … Eva-Nina Kozmus musste sich auch in die Rolle der Moderatorin auf der Bühne finden. Dabei half ihr der bereits routiniert moderierende Sebastian Manz stark, so dass Eva-Nina Kozmus in ihrer natürlich-sympathischen Jugendlichkeit das Publikum schnell für sich gewinnen konnte.
Kaum ein anderer Komponist könnte den Frühling besser in eine Farben- und Gefühlswelt umwandeln als Maurice Ravel. Genau mit dessen „Introduktion et Allegro“ begann man das Programm, das in der Folge noch etliche Höhepunkte bieten sollte. Mit Lisa-Maria Hilti aus der Region Bregenzer Wald an der Harfe, Miriam Helms Ålien (Violine, Norwegen), Eoin Ducrot (Violine, Irland), Jacques Pérez (Viola, Frankreich), Eivind Ringstad (Norwegen, Viola), François Thirault (Cello, Frankreich), Yannick Rafalimanana (Klavier, Frankreich) und dem künstlerischen Leiter des Festivals, dem deutschen Klarinettisten Sebastian Manz, formierte Kozmus ein Programm, das sich hauptsächlich in der Zeit der Belle Epoche bewegte.
Ravels Werk erreicht in seinen langen und fast schon orchestralen Linien bereits eine immense Schlagkraft und ein Klangintensität, die das Publikum auf die kommenden Werke einstimmte. Die ebenfalls französische Komponistin Lili Boulanger hat mit „D’un matin de printemps“ („Ein Frühlingsmorgen“) die Gefühle des aufkeimenden Lebens in dieser Jahreszeit für Klaviertrio (mit Miriam Helms Ålien als Violinistin) so diffizil und fast mit dem Geruch von aufblühenden Knospen ausgedrückt, dass man sich wünschte auf einer Blumenwiese zu liegen, um diesen Klängen zu lauschen. Welch grandioser Einstieg in dieses Festival!
Dagegen nahmen sich die beiden Stücke aus Max Bruchs „Acht Stücke“ für Klarinette, Viola (Eivind Ringstad) und Klavier eher streng aus, wenn auch hier der frühlingshafte Überschwang in der Interpretation zum Tragen kam.
Einen Wechsel der Charakteraussagen gab es nach der Pause: Edvard Griegs „Peer Gynt“-Suite stellte in beeindruckender Weise in einem Arrangement von Sebastian Manz für Streichquintett, Flöte, Klarinette und Klavier die wunderbaren wie berühmten Melodien dieses norwegischen Dramas vor. Die Musiker glitten durch die mythischen wie tief emotionalen Sätze und beschworen im Moment des Spiels die Aussagen der Bilder der erfrischenden „Morgenstimmung“, der Trauer in „Åses Tod“, des beschwingten „Anitras Tanz“ und dem majestätisch-vorwärtsdrängenden Abschluss „In der Halle des Bergkönigs“ so ekstatisch herauf, dass das Publikum zum Teil den Atem anhielt. Das war Kammermusik auf Weltniveau.
Und zum Schluss wurde es ganz klassisch mit Carl Maria von Webers Trio g-Moll für Querflöte, Violoncello und Klavier. Und hatte sich die Intendantin bislang nicht so stark als Solistin gezeigt, konnte sie nun in diesem Werk des berühmten Komponisten des „Freischütz“ zeigen, welch großartige Künstlerin sie ist. Das Publikum, in dem sich auch Landeshauptmann Mag. Markus Wallner mit Gattin und Bürgermeister der Gemeinde Schwarzenberg, Mag. Markus Flatz, befanden, war zu Recht begeistert.
Das internationale Musiker-Team, das Eva-Nina Kozmus nach Schwarzenberg geholt hat, hat in den Tagen vor dem Eröffnungskonzert gut zueinandergefunden, hat sich die Werke so bemerkenswert erarbeitet, die fast ausschließlich Neuland für sie waren, dass man nur staunen konnte, mit welcher Selbstverständlichkeit und welchem Niveau sie auf der Bühne agierten.
Dass viele der Werke in diesem Programm wie in sämtlichen folgenden Abenden französische Ursprünge und Einflüsse aufweisen, war eine Art von Hommage an ihr heutiges Heimatland Frankreich – und ihre Ausbildung. Genau diese Durchdringung des Französischen mit Neuem von dem irischen Komponisten Sam Perkin, der in Schwarzenberg mit den Musikern arbeitet, und geschickt-witzigem Arrangements von Sebastian Manz wird in den folgenden Programmen das facettenreiche Prisma des diesjährigen Festivals ausmachen. Verpassen sollte man die folgenden Konzerte in jedem Fall nicht.